Sterne und Planeten: Aus der Hitze geboren
Die LMU Astrophysikerin Barbara Ercolano erforscht, wie sich Sterne und Planeten bilden und ob das Leben als unvermeidliches Ergebnis der physikalischen Prinzipien entsteht, die das Universum regieren.
Die LMU Astrophysikerin Barbara Ercolano erforscht, wie sich Sterne und Planeten bilden und ob das Leben als unvermeidliches Ergebnis der physikalischen Prinzipien entsteht, die das Universum regieren.
Die einen sind höllisch heiß, heißer als die meisten Sterne. Die anderen sind derart rasant unterwegs, dass auf ihnen ein Jahr nur etwas mehr als vier Stunden dauert. Auf wieder anderen regnet es – nicht Wasser, sondern Glas. Und dann sind da noch jene, die sich, zumindest auf den ersten Blick, kaum von unserer Erde unterscheiden lassen.
Exoplaneten, also Planeten, die um ferne Sterne kreisen, sind immer für eine Überraschung gut. Fast 5900 der seltsamen Welten haben Astronominnen und Astronomen bislang entdeckt – in so gut wie allen denkbaren Varianten. Und das, obwohl die Planetensysteme stets aus denselben grundlegenden Bausteinen geboren werden.
„Die wichtigsten Zutaten sind schlichtweg Gas und Staub“, sagt LMU-Professorin Barbara Ercolano. Kommen dann noch eisige Kälte und schließlich ganz viel Hitze hinzu, formen sich die Planeten fast von alleine. Was genau in den Geburtsstätten der Exoplaneten vor sich geht, welche Bedingungen dort herrschen und wie sich all das auf die enorme planetare Vielfalt auswirkt, ist allerdings noch ein großes Rätsel. Ercolano, künftige Sprecherin des Exzellenzclusters ORIGINS, arbeitet mit ihrer Gruppe daher daran, Licht ins Dunkel der Planetenentstehung zu bringen – und letztlich zu verstehen, wie typisch und wie einfach es ist, ein Sonnensystem ähnlich dem unseren mit einer lebenswerten zweiten Erde zu schaffen.
Nicht nur auf astronomischen Zeitskalen sind Exoplaneten ein ausgesprochen junges Feld der Forschung: Vor gut 30 Jahren kannten Astronominnen und Astronomen lediglich die damals neun Planeten unseres eigenen Sonnensystems. Erst 1995 konnte der erste Exoplanet in der Umgebung eines anderen, sonnenähnlichen Sterns entdeckt werden. Seitdem hat sich das Feld rasant entwickelt. Mit Teleskopen und Raumsonden haben Forschende viele Tausende Exoplaneten ausmachen können. Mit ihren oft seltsamen Eigenschaften werfen diese aber mehr Fragen auf, als dass sie Antworten liefern. „Genau diese Vielfalt war für mich einer der Beweggründe, die Geburtsorte der Planeten genauer anzuschauen“, sagt Barbara Ercolano.
Barbara Ercolano
Damit Exoplaneten entstehen können, braucht es zunächst einen Stern. Hier sind die astrophysikalischen Modelle bereits deutlich ausgefeilter: Eine dichte interstellare Wolke aus Staub ist nötig, vor allem aber aus Gas. Insbesondere Wasserstoffmoleküle dürften dabei eine tragende Rolle spielen. Sie müssen kalt sein, extrem kalt, etwa minus 250 Grad Celsius. Nur so können sich die Gas- und Staubteilchen gegenseitig anziehen. Sie verdichten sich und kollabieren schließlich unter ihrem eigenen Gewicht zu einem sogenannten Protostern.
Der Kollaps wiederum lässt die Temperatur im Innern des Gas- und Staubklumpens stark ansteigen. Erreicht sie mehrere Millionen Grad Celsius, fusioniert der Wasserstoff zum schwereren Helium, wobei viel Energie freigesetzt wird. Der Stern ist geboren, er fängt an zu leuchten.
Nicht aller Staub und alles Gas aus der interstellaren Wolke schafft es jedoch in den Stern. Ein bisschen Dreck bleibt zurück und sammelt sich in einer rotierenden Region rund um die neugeborene Sonne; die Astronomie spricht von einer protoplanetaren Scheibe. Sie ist die Wiege der Exoplaneten.
Womöglich laufen in dieser Scheibe ähnliche Prozesse ab, wie schon bei der Geburt des Sterns: Staub und Gas ziehen sich gegenseitig an, ballen sich zusammen, die Scheibe wird instabil und ein Klumpen entsteht – nur mit dem Unterschied, dass dieser Ball aus Gas und Staub nicht massiv genug ist, um das Feuer der Kernfusion zu entfachen. Ein Planet bleibt übrig.
Mittlerweile tendieren die meisten Forschenden jedoch zu einer anderen Erklärung: Die winzigen Staubteilchen in der Scheibe kollidieren demnach, sie bleiben aneinander haften, sie legen an Größe zu – von ursprünglich Mikrometern zu Bällen mit mehreren Kilometern Durchmesser. Diese Klumpen können weiteres Material anziehen, bis schließlich die ausgewachsenen Exoplaneten entstehen. „Ohne Staub gibt es demnach keine Planeten“, sagt Ercolano.
Kleiner Schönheitsfehler: Der Prozess, wissenschaftlicher Name: Kernakkretion, dauert gemäß den derzeit gängigen Modellen bis zu 100 Millionen Jahre. Nach spätestens zehn Millionen Jahren haben sich so gut wie alle bekannten protoplanetaren Scheiben jedoch schon wieder aufgelöst.
Es ist dieser Widerspruch, der Ercolano seit 15 Jahren beschäftigt. Einen möglichen Ausweg könnte die Strahlung des jungen Sterns liefern, insbesondere im Röntgen- und extremen Ultraviolettbereich. Trifft diese energiereiche Strahlung auf die äußeren Bereiche der Scheibe, kann sie das dortige Material quasi verdampfen – ein Prozess namens Photoevaporation. Durch die Rotation der Scheibe werden die verdampften Gase dann ins Weltall hinausgeschleudert.
Aber behindert das nicht die Geburt von Exoplaneten? Nicht unbedingt, sagt Ercolano. Entfernt die Strahlung das Gas, bleibt – relativ betrachtet – mehr Staub in der Scheibe zurück. Insbesondere felsige, erdähnliche Planeten könnten dann bevorzugt entstehen. „Irgendwann stoppt die Photoevaporation sicherlich die Formation der Planeten, bis dahin könnte sie sie aber sogar verstärkten“, so Ercolano. „Auf jeden Fall hat sie einen großen Einfluss.“
Ercolano ist Theoretikerin. Ihre Welt sind Modelle und numerische Simulationen, es geht um Magnetfelder, Strahlungstransfer, hydrodynamische Prozesse. Was nicht heißt, dass die gebürtige Neapolitanerin fernab von realen Beobachtungen agiert. Im Gegenteil: Ercolanos Gruppe verwendet viel Zeit darauf, mithilfe ihrer Modelle virtuelle Aufnahmen zu generieren. Sie berechnet, welche Bilder existierende wissenschaftliche Instrumente auf Basis der Theorien liefern würden, und vergleicht diese dann mit realen Daten. „Synthetische Beobachtungen“ nennt Ercolano die Methode.
Im Mittelpunkt stehen sogenannte spektroskopische Aufnahmen: Trifft die Strahlung des Sterns auf Gase in der protoplanetaren Scheibe, zum Beispiel auf Sauerstoff, werden die Moleküle angeregt und senden ihrerseits Licht mit charakteristischen Wellenlängen aus – eine Art Fingerabdruck. Werden die Gase zudem aus der Scheibe herausgeschleudert, in Richtung der irdischen Beobachter, verschieben sich die Linien der Fingerabdrücke hin zu etwas kürzeren Wellenlängen.
Riesenteleskope wie das VLT der Europäischen Südsternwarte in Chile haben solch spektroskopische Aufnahmen von protoplanetaren Scheiben gemacht. Ercolano hat ihre Simulationen, ihre synthetischen Beobachtungen, danebengelegt und beides war fast deckungsgleich. Ein wichtiger Vertrauensbeweis für die theoretischen Modelle. „Wenn die Linien stimmen, dann stimmt auch die Temperatur, und dann stimmt auch das Vorkommen der Gase in unseren Simulationen“, sagt Ercolano.
Ob allerdings primär Röntgen- und extrem-ultraviolette Strahlung das Schicksal der Scheibe – und damit die Geburt von Exoplaneten – bestimmt, ist noch unklar. Andere Forschungsgruppen haben sich auf energieärmeres ultraviolettes Licht konzentriert und ebenfalls eine gute Übereinstimmung mit den Beobachtungsdaten erzielen können. „Es bleibt abzuwarten, welches Modell der Realität entspricht, falls überhaupt eines passt“, sagt Ercolano. Aktuell arbeitet die Forschungsgruppe daher daran, weitere Strahlungsarten in ihre Simulationen einfließen zu lassen.
Barbara Ercolano
In den vergangenen Jahren ist aber noch ein anderes Projekt hinzugekommen: Twinkle. Twinkle ist ein kleines Weltraumteleskop, das systematisch Exoplaneten auf mögliche Lebensbedingungen untersuchen soll. Erdacht wurde die Mission, die 2027 starten könnte, nicht von staatlichen Raumfahrtagenturen, sondern vom britischen Unternehmen Blue Skies Space und einer ganzen Reihe von Universitäten. Auch der Münchner Exzellenzcluster ORIGINS gehört zu den Gründungsmitgliedern.
„Twinkle ist das erste spektroskopische Weltraumobservatorium, das gezielt die Atmosphären von Exoplaneten studieren soll“, sagt Barbara Ercolano. Mit einem Spiegeldurchmesser von nur 45 Zentimetern ist Twinkle allerdings relativ klein. Auflösung und Empfindlichkeit sind gering – insbesondere im Vergleich zu Giganten wie dem Ende 2021 gestarteten James-Webb-Weltraumteleskop. Auch das soll mit seinem 6,5-Meter-Spiegel Atmosphären von Exoplaneten untersuchen, hat darüber hinaus aber noch viele andere Aufgaben in Astronomie und Kosmologie. Forschende müssen sich um die knappe Beobachtungszeit bewerben. Die Nachfrage ist riesig, der Erfolg ungewiss.
Bei Twinkle haben die wenigen beteiligten Organisationen hingegen exklusiven Einfluss auf die Mission, auf die Beobachtungszeit und auf die Planeten, die ins Visier genommen werden sollen. „Das ist fantastisch“, sagt Ercolano. „das ist etwas, von dem wir bei Teleskopen wie James Webb nur träumen können.“
Insbesondere soll Twinkle nach organischen Molekülen wie Methan oder Ammoniak sowie nach Kohlenwasserstoffen in den fernen Atmosphären suchen. Solche Moleküle gelten als mögliche Vorläufer für die Entstehung von Leben wie wir es kennen. Und sie verraten sich – ähnlich den Gasen in der protoplanetaren Scheibe – indem sie einen charakteristischen Fingerabdruck im Sternenlicht hinterlassen. Ercolano und ihr Team haben bereits begonnen, mithilfe statistischer Methoden und künstlicher Intelligenz Modelle für unterschiedlich zusammengesetzte Atmosphären und die daraus resultierenden Beobachtungsdaten zu erstellen. Sie sollen dann mit den realen Twinkle-Aufnahmen abgeglichen werden und Details aus den Atmosphären verraten.
Biosignaturen – also spektroskopische Fingerabdrücke, die auf Leben in einer Atmosphäre hinweisen und als Heiliger Gral der Exoplanetensuche gelten – wird Twinkle voraussichtlich noch nicht direkt nachweisen können. Die Mission könnte jedoch erste Hinweise liefern und wertvolle Erfahrungen sammeln, die den Weg für zukünftige Entdeckungen ebnen.
Prof. Barbara Ercolano ist Astrophysikerin an der LMU, künftige Sprecherin des Exzellenzclusters ORIGINS und erforscht protoplanetare Scheiben und die Entstehung von Planeten.
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